Bei Angst und Panik
helfen Antidepressiva!
Dresden,
27.01.2001. Die meisten Angstpatienten wünschen sich „etwas
Beruhigendes“. Diese Bitte sollte jedoch nicht dazu verleiten, primär
Sedativa zu verordnen, warnte Prof. Dr. med. Borwin Bandelow auf einem
wissenschaftlichen Symposium. Allein mit einem Antidepressivum erzielt
der Göttinger Oberarzt medikamentös bei 80 Prozent seiner Angstkranken
den gewünschten Erfolg. Zu den Optionen der antidepressiven Therapie
gehört neuerdings auch das selektiv noradrenerg wirkende Reboxetin (Edronax®).
11,7 Prozent aller
Patienten einer Allgemeinpraxis leiden unter Angst, betonte Badelow.
Allerdings wird nur bei 6,4 Prozent das Problem erkannt und nur jeder
dritte Angstpatient erhält eine medikamentöse Hilfe. Vermutlich gibt es
noch weitaus mehr Angstkranke. Denn viele Betroffene arrangieren sich
mit ihrem Leiden, indem sie Angst erzeugende Situationen vermeiden.
Besonders im Falle der sozialen Phobie schämen sich die Patienten selbst
vor ihrem Arzt: Nur 3 Prozent vertrauen diesem ihr Problem an. Da sich
Angst besonders in körperlichen Symptomen äußert (wie
Kreislaufstörungen, Atemnot, Schwitzen, Missempfinden) ist die Gefahr
groß, dass nicht nur die Patienten, sondern auch ihre Ärzte vorrangig
von einer körperlichen Ursache ausgehen. Der zeitliche Verlauf des
Angsterlebens hilft, zwischen den beiden wichtigsten Angststörungen zu
unterscheiden: So erreicht Panik ihren Gipfel innerhalb von 10 Minuten,
um nach rund 30 Minuten wieder zu verschwinden. Patienten mit
generalisierter Angst müssen dagegen laut Bandelow „in der Lage sein,
sich 24 Stunden lang Sorgen zu machen“.
Noch bis vor kurzem
galt vor allem Serotonin als wichtigster Botenstoff im Rahmen von
Angsterkrankungen. Dies überrascht, weil schon seit längerem weitaus
mehr wissenschaftliche Befunde über neurobiologische Veränderungen des
Noradrenalinsystems bei Panikstörungen vorliegen. Dass sich
Angststörungen heute nur noch mittels einer gemischten
Noradrenalin-Serotonin-Hypothese befriedigend erklären lassen, ist nicht
zuletzt der Entwicklung des selektiven
Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmers Reboxetin zu verdanken. Nachdem
Studien bei depressiven Patienten überraschend zeigten, dass sich auch
die Angst der Kranken deutlich unter Reboxetin besserte, wurden gezielte
Untersuchungen bei Personen mit Panikattacken durchgeführt. Sie
bestätigten den klinischen Effekt und zeigten, dass am Angstgeschehen
auch noradrenerg vermittelte Vorgänge beteiligt sind.
„Kann man denn (meist
schon übererregte!) Angstkranke mit einem belebenden Wirkstoff
behandeln?“ wollten Symposiumsteilnehmer wissen. Prof. Bandelows Antwort
lautete: „Angstkranke behandelt man nicht mit sedierenden Mitteln“. Er
selbst betrachtet Antidepressiva auch bei Angst als Mittel der ersten
Wahl. Bei 80 Prozent seiner Angstkranken erzielt er so gute Erfolge.
Wichtig sei es allerdings, die Patienten vorab über mögliche
aktivierende Effekte aufzuklären und diese als „Zeichen von
Wirksamkeit“ zu deuten. Nach zwei bis vier Wochen lege sich die Unruhe
ohnehin. Gegebenenfalls kann man vorübergehend ein Benzodiazepin wie
Alprazolam verabreichen. Vor übermäßiger Sedierung warnte auch ein
Symposiumsteilnehmer: Angstkranke legen großen Wert auf Kontrolle und
ungetrübte Aufmerksamkeit. Zuviel Sedierung könne unter dem Strich neue
Unruhe auslösen.
Nach dem Vortrag
„Angst-Panik-Depression: Überschneidungen und Grenzen?“ auf dem
Regionalsymposium “(Dauer)therapie psychiatrischer Erkrankungen“ am
27.01.2001 in Dresden. Veranstalter: Pharmacia GmbH, Erlangen.
Berichterstatter: Dr. Dr. med. Herbert Mück, Köln |